Die E-Learning-Krise 
Mit Ruhe und Konzept ans Ziel

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In diesem Jahr wollte ich in unserem Unternehmen das Thema E-Learning als neues Projekt für unser Kundenangebot aufsetzen. Geplant war die Umsetzung für etwa September/Oktober. Ich hatte mir einen Plan zurechtgelegt (ich liebe Pläne) und wollte diesen entsprechend abarbeiten.

Dank oder besser wegen dem Coronavirus springen jedoch gerade viele Unternehmen und Verbände (fast) gleichzeitig auf den Zug E-Learning auf. Man überbietet sich mit scheinbar innovativen Ideen und Ansätzen. Jeder hat plötzlich ein Webinar anzubieten. Aber bereits auf den ersten Blick sieht man, dass da eher „hemdsärmelig“ gearbeitet wurde. Das Ziel scheint es häufig nicht zu sein, seine Kunden bestmöglich zu informieren, sondern einfach nur auch etwas von dem gerade backenden Kuchen „digitales Lernen“ abzubekommen.

Man setzt einen Mitarbeiter an einen Schreibtisch. Ein zweiter Mitarbeiter hält die Handykamera auf ihn und schon beginnt das „Webinar“. Oder was auch immer es sein soll. Was einem da teilweise für horrende Teilnahmegebühren geboten wird, ist in meinen Augen nicht tragbar.

In der Ruhe liegt die Kraft

Es ist aber auch zu verführerisch. Die moderne Technik lässt einen glauben, dass man auch mit geringsten Mitteln ganz schnell mal ein Schulungsprogramm für das Web auf die Beine stellen kann. Eben noch in der Präsenzschulung und jetzt auf dem Bildschirm. Manche gehen sogar soweit, dass sie Präsenzschulungen filmen und diese als Onlineseminare verkaufen.

Ich schaue gerade ein wenig ungläubig auf das Treiben. Viele verfallen derzeit dem Glauben, dass man nun schnell handeln und etwas auf die Beine stellen muss, um nur nicht abgeschlagen zu werden. Doch genau hier laufen sie meiner Meinung nach in eine Falle und leiden unter blindem Aktionismus. Es gibt nicht umsonst das Sprichwort von Lao-Tse: „Ruhe wirkt Ordnung“. Denn nur, wenn man sich genügend Zeit lässt, hat man die Möglichkeit, Großartiges zu erschaffen oder zu leisten. Rom wurde eben auch nicht an einem Tag erbaut.

Bieten Sie Qualität statt Masse

Das gilt umso mehr für den Bereich der Digitalisierung. Wie gesagt, es ist verführerisch, einfach mal schnell ein Video mit der Handykamera zu drehen oder seinen Bildschirm abzufilmen und dies dann als Schulung zu verkaufen. In den meisten Fällen geht das aber gehörig nach hinten los. Natürlich möchte jeder, vor allem in Krisenzeiten, alles schnell und ganz genau wissen. Aber die Menschen können, egal ob Digital Natives oder nicht, sehr wohl zwischen Qualität und Schund unterscheiden.

Ein simples Abfilmen ist aber eben keine Qualität. Zu einem guten E-Learning gehören Didaktik-Kenntnisse, eine gut aufgeräumte und intuitive Lernumgebung und ein durchdachter Prozess der Nutzung. Man benötigt ein Konzept, eine Struktur und das Ziel, was man erreichen möchte. Das kann man nicht eben mal übers Knie brechen.

Einmal tief durchatmen bitte

Wir sind gerade in einer Zeit gewaltiger Veränderungen. Jeden Tag stürzen neue Meldungen auf uns ein und alle überschlagen sich in ihrem Angebot an die Kunden, um die Corona-Krise für sich wirtschaftlich auszunutzen. Selbstkritisch muss ich mir eingestehen: Ich bin auch schon mit einem Bein auf dem Zug gewesen, habe ich mir dann aber zum Glück die Frage gestellt: „Wohin fährt der eigentlich? Und will ich da hin?“. Als mir klar wurde, dass ich darauf keine Antwort hatte, habe ich brav mein Bein wieder zurückgezogen und einmal tief durchgeatmet. Blinder Aktionismus hilft niemanden. Zudem sollte man sich, bevor man losstürmt, folgende Fragen stellen und beantworten:

  1. Um was geht es überhaupt?
  2. Was ist das Ziel? Was möchte ich erreichen?
  3. Was bieten wir an?
  4. Wem nützt es?
  5. Wie erreichen wir das Ziel?
  6. Was kostet es?
  7. Was brauchen wir dafür?

Als Leiterin für strategische Geschäftsentwicklung ist es mein Job, neue Ideen zu entwickeln, die dann auch konkret zu Wachstum führen. Wenn ich aber jedes Mal gleich losstürmen würde, ohne Konzept, Strategie und einem Plan, was überhaupt passieren und getan werden soll, würde ich meinen Job nicht richtig machen und schlimmstenfalls meinem Unternehmen schaden, etwa pekuniär oder dem Image. Daher ist geplantes Vorgehen so wichtig.

Tipps to go

  1. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich ab und zu zurückzunehmen, wenn man eine neue Idee hat oder von einem neuen Trend hört und sich die oben genannten Fragen zu stellen. Im Idealfall nimmt man sich die Vorlage eines Business-Canvas-Modells  und versucht dieses für seine Idee auszufüllen. Bei diesem Modell handelt es sich um eine Vorlage für die Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen. So bringt man auch Struktur in die eigenen Gedanken.
  2. Eine weitere Möglichkeit, um Ruhe und Ordnung in den Denkprozess zu bekommen: Suchen Sie sich einen Sparringspartner. Das kann eine gute Freundin, der Kollege oder der Vorgesetzte sein, dem man seine Idee erzählt. Er hört zu und stellt die entsprechenden Fragen. Beim Formulieren und laut Aussprechen merkt man, wo es noch hakt, welche Antworten noch ungenau sind oder welche Informationen vielleicht noch benötigt werden.