Erfahrungsbericht: Von der Kollegin zur Chefin

Was ich auf diesem Weg gelernt habe

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Ich war nicht einmal zwei Jahre bei Vergabe24 im Marketing tätig, als mein damaliger Chef und Geschäftsführer verkündete, dass er in den Ruhestand gehen möchte. Ich war gespannt auf den/die Nachfolger/in, hätte mich aber nie selbst auf dem Posten gesehen. Mein Chef sah das anders. In einer Raucherpause, mein ehemaliger Chef ist passionierter Pfeifenraucher, fragte er mich, ob ich mich nicht auf die Stelle bewerben wolle. Nach kurzer Bedenkzeit und Rücksprache mit meinem Partner, versuchte ich mein Glück und wurde unter knapp 100 Bewerbern ausgewählt. Und wenn ich glaubte, dass die Bewerbungsphase schon Überraschung genug war, so wurde ich nach Amtsantritt eines Besseren belehrt.

Nicht mehr eine unter vielen

Denn: Es fiel mir unheimlich schwer, zu akzeptieren, dass ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Kollegin war, sondern die Chefin. Aber was ich davon hielt oder wie ich meine neue Position sah, war völlig unerheblich, denn meine nun nicht mehr Kollegen, sondern Mitarbeiter, sahen mich als Chefin und gingen auf Abstand. Eine Folge davon war, dass ich mein Auftreten und Verhalten überdachte und beides in manchen Punkten an meine neue Position im Unternehmen anpasste. Dabei begleitete mich stets die Frage: Wie gebe ich weiter, was ich möchte, ohne entweder als zu autoritär oder als nicht durchsetzungsfähig zu gelten? Es gibt keine Ausbildung zum Chef bzw. Geschäftsführer.

Klar, die Rechte und Pflichten eines Geschäftsführers kann man sich zum Beispiel über einen IHK-Lehrgang aneignen. Damit erhält man einen guten Überblick über die formalen Aspekte der Position. Diesen habe ich belegt. Der Kurs enthielt auch einen zweitägigen Block zum Thema Mitarbeiterführung. Zwei Tage waren aber entschieden zu wenig für mich. Ich hatte ja gar keine Erfahrung, wie man seine Mitarbeiter führt und ein Unternehmen leitet.

Mitarbeiterführung: Learning by doing

Also habe ich mich umgesehen, was einem auf dem Markt so angeboten wird, um sich dieses Wissen praktisch anzueignen. Ich bin kein Freund von Gruppenschulungen oder theoretischen Seminaren, sondern schätze Formate, die auf mich individuell zugeschnitten sind und Praxisbezüge herstellen. Daher habe ich mir für den Anfang Unterstützung durch einen Supervision-Coach geholt. Mit ihm habe ich aktuelle Themen besprochen, etwa den Umgang mit einem schwierigen Mitarbeiter oder die Herangehensweise bei Mitarbeitergesprächen. Er hat mir aber keine Lösungen auf dem Silbertablett serviert, sondern mich geschickt durch Fragen gelenkt, sodass ich selber auf die Idee oder eine Lösung gekommen bin. Wir haben uns mehrmals im Jahr getroffen und aus diesen Sitzungen habe ich viele Anregungen zum Umgang mit Mitarbeitern erhalten.

Dem Neid begegnen

Eine weitere Erfahrung, die Sie eventuell machen könnten, ist, dass Kollegen auch auf den Posten scharf waren oder zumindest gefragt werden wollten. Diesen Neid leben sie aber in der Regel nicht gegenüber dem ehemaligen Vorgesetzten aus, sondern gegenüber dem Nachfolger. Wichtig ist hierbei, den Kontakt zu suchen und den Mitarbeiter direkt darauf anzusprechen. Doch egal wie viele Gespräche man führt, es kann durchaus sein, dass der Neidgedanke und das „Nicht-Gönnen-Können“ trotzdem weiter unterschwellig mitschwingen. Dann wird man um eine Trennung vom Mitarbeiter nicht herumkommen.

Tipps to go

Holen Sie sich jede Hilfe, die Sie bekommen können. Man wird nicht als Chef geboren und es gibt auch keine Ausbildung dafür. Suchen Sie z.B. nach einem passenden Coach. Achten Sie dabei darauf, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt. Seriöse Coaches vereinbaren daher oft ein unverbindliches Kennlern-Treffen. Mein Coach gab mir zu verstehen, dass er, wenn er nicht das Gefühl hätte, wir würden auf einer Wellenlänge liegen, auch nicht mit mir arbeiten würde. Und ich sollte es genauso mit ihm halten. Zum Glück waren wir uns auf Anhieb sympathisch.

Hinterfragen Sie auch regelmäßig ihre eigenen Ideen, Ihr Auftreten und Ihre Kommunikationsweise. Stellen Sie sich dabei vor, wie Sie als Mitarbeiter reagieren würden. Wichtig ist aber auch, dass Sie zu sich, Ihrem Auftreten und ihren Entscheidungen stehen, denn nur so strahlen Sie auch das nötige Selbstbewusstsein und Autorität aus.